Liebe Bettina,

herzlichen Dank zunächst, dass Du Dir die Zeit nimmst, mir ein paar Fragen zu beantworten. Wir haben uns ja erst vor kurzer Zeit auf Facebook kennengelernt, deshalb bin ich sehr neugierig, was ich über die erfahren darf.

 

Durch Deinen Hauptjob bist Du ja nicht Vollzeit-Autorin. Würdest Du gern mehr schreiben und den Hauptjob irgendwann an den Nagel hängen, oder soll die Autorentätigkeit weiterhin nebenberuflich bleiben?

Also meinen Hauptjob liebe ich sehr. Ich leite ja ein Jugendtreff, das ich mitgegründet habe, und natürlich hängt mein Herz sehr daran. Vor allem hängt es an den Jugendlichen. Eine herausfordernde, aber erfüllende Arbeit.

Andererseits bin ich ohnehin eine Nachteule und schreibe demzufolge lieber nachts, das kann ich auch weiterhin tun. Allerdings merke ich mit dem Älterwerden, dass es zunehmend schwieriger wird, wenn man wochenlang die halbe Nacht wach ist. Allmählich gibt es eine gewisse Ähnlichkeit zu meinen historischen Figuren … ?

 

Gibt es einen zweiten Traumberuf, den Du gern ausgeübt hättest?

Eigentlich nicht, denn ich bin genau da, wo ich sein möchte. Ich wollte immer im Sozialbereich arbeiten und natürlich auch Schreiben. Aber wer weiß, was die Zukunft bringt …

 

Was hat Dich dazu bewogen, Schriftstellerin zu werden?

Wie viele andere auch, habe ich schon in der Grundschule davon geträumt. Bereits damals erfand ich Geschichten, die ich meinen Klassenkameraden erzählte oder ich schrieb kleine Gedichte, die in örtlichen Zeitungen abgedruckt wurden.

Meine wichtigste Bezugsperson war jedoch meine Oma, die mich sehr geprägt hat. Mit ihr teilte ich die Leidenschaft zum Schreiben. Bis zu ihrem Tod vor drei Jahren hat sie mich begleitet und ich vermisse diesen Austausch sehr.

 

Du schreibst ja Liebesromane, von denen schon bald der vierte Teil einer Serie veröffentlicht wird. Magst du den Lesern diese Serie einmal vorstellen? Und schreibst du auch in anderen Genres?

In den Anfangsjahren habe ich ausschließlich historische Romane geschrieben. Das hat mir viel Spaß gemacht, da ich schon als Kind für vergangene Epochen schwärmte. Allerdings habe ich immer den Anspruch gehabt, so viel Realität wie möglich mit einer fiktiven Geschichte zu verweben, was erhebliche Recherchearbeit voraussetzt und die Themen sind natürlich tiefgründiger, da auch die Zeit eine völlig andere war. Irgendwann wuchs der Wunsch in mir, einmal etwas völlig anderes zu schreiben. So wie ein Schauspieler vielleicht auch mal gerne in eine andere Rolle schlüpft. Meine Oma hat mich sehr darin bestärkt und nach einer Satire, die für mich eine Art „Suche nach dem Richtigen, ein Selbstfindungsprozess, ein: Wohin will ich in Sachen schreiben?“ war, habe ich „Ein fast perfekter Sommer in St. Agnes“ geschrieben und merkte sofort, dass ich angekommen bin.

In meiner Reihe geht es natürlich um die Liebe. Annie (Teil 1), Emma (Teil 2) & Amanda (Teil 3 & 4) erleben sie auf ihre eigene Weise bzw. ist jede Bindung zu St. Agnes eine andere, wodurch ich auch hoffe, dass meine Leser St. Agnes bzw. die Scilly Islands immer wieder anders erleben. Auch ich habe bei jedem Buch dieser Reihe neue wunderbare Orte entdeckt. Wobei nicht nur St. Agnes als Kulisse dient, sondern ich nehme meine Leser auch an andere Orte mit und sie lernen die manchmal etwas verrückte, skurrile, aber ungemein liebenswerte Dorfgemeinschaft kennen. Und ich habe Kontakt zu Menschen aufgenommen, die in St. Agnes leben, wodurch ich tolle Einblicke – gerade beim Winter-Teil – bekam.

Eine Reihe hat natürlich seine Herausforderungen, weshalb es mir wichtig war, dass man nicht alle vier Bücher in die gleiche Schublade stecken kann. Nach dem Motto: Hast du eines gelesen, hast du alle gelesen. Ich hoffe, dass mir das gelungen ist. Ebenso, dass ich als Autorin bei dieser Reihe verschiedene Facetten von mir zeigen konnte.

 

Gibt es noch ein Genre, was Dich besonders reizt, in dem Du gerne mal etwas schreiben würdest?

Ein Thriller hätte mich gereizt, wobei ich vor einigen Jahren angefangen habe einen zu schreiben (das war zur gleichen Zeit wie vorhin erwähnt, als ich eine andere Richtung für mich suchte). Wenn aber der Autor bei der Hälfte nicht mehr weiß, wer der Mörder sein soll und sich zu sehr verzettelt, dann sollte man es lieber lassen ?. Das wäre zu konstruiert geworden, weshalb ich dieses Genre gerne weiterhin lese, aber lieber die Finger davon lasse.

 

Wie bereitest Du Dich auf ein neues Buch vor?

Meistens habe ich schon eine grobe Geschichte im Kopf. So war es auch bei St. Agnes. Dann brauche ich zuerst die Kulisse, um mich „einzuleben“. Ich lese alles, was mir in die Hände fällt und schaue mir Bilder, Videos usw. an.

Bei der Kulisse hilft mir oft der Zufall, das war auch bei dieser Reihe so. Ich las „St. Agnes“ und wusste, das ist es, bevor ich Ahnung hatte, wo dieser Ort genau liegt bzw. wie es dort aussieht. Doch ich fühlte mich bestätigt, als ich mich näher mit diesem Küstendörfchen befasste.

Nach der Kulisse ist dann vor dem Cover. Selbst wenn ich eine Woche daran herumbastle und gerne mit dem Schreiben loslegen würde, das muss sein. Erst wenn ich damit zufrieden bin, geht es los. Viele haben ja gewisse Rituale, das ist vermutlich meins ?.

 

Wie recherchierst du zu deinen Büchern?

Bei den historischen Büchern lese ich mich in entsprechende Quellen ein (die sich natürlich nicht immer decken) oder habe mitunter Institutionen kontaktiert (Nationalgalerien usw.). Allerdings mischt sich alles mit Fiktion. Ich erzähle letztlich eine Geschichte, keine geschichtliche Abhandlung. Aber es ging mir gerade bei den historischen Romanen oft so, dass sich ein Rädchen ins andere fügte. Das sind dann ganz besondere Momente gewesen.

St. Agnes bot mir eine andere, neue Möglichkeit zur Recherche. Ich habe wie erwähnt kurzerhand Kontakt zu verschiedenen Menschen aufgenommen, die in dem Küstendörfchen leben. Das ist bei historischen Romanen natürlich unmöglich ?.

 

Woher nimmst Du die Inspiration für Deine Bücher?

Mal sind es Orte, mal Menschen oder Begebenheiten, die mich inspirieren. Bei meiner Frankreichreihe genügte es, dass ich während der Recherche zu einem anderen Buch ein falsches Jahrhundert wählte und vor mir tat sich das Gemälde einer Frau auf, die mich sofort in ihren Bann zog. Henriette de Bourbon-Conti war einer mir sehr nahen Person total aus dem Gesicht geschnitten. Ich bekomme heute noch eine Gänsehaut (im positiven Sinn), wenn ich an diesen Moment denke.

 

Wie lange benötigst Du für ein Buch?

Ehrlich gesagt brauche ich mehr Zeit zum Überarbeiten als zum Schreiben. Leider kommen mir die besten Ideen oft nach dem Schreibprozess (ich schreibe aus dem Bauch heraus) und da heißt es noch einmal alles auf Anfang und die Geschichte muss dann natürlich angepasst werden. Das hat schon mal bedeutet, dass ich ein komplettes Buch von Anfang bis Ende beinahe zur Gänze umgeschrieben habe. Es ist zeitaufwändig und sehr anstrengend, aber bevor ich nicht selbst zufrieden bin, mag ich es nicht aus der Hand geben.

 

Du bist sowohl Verlagsautorin als auch Selfpublisherin. Wärst Du gern ausschließlich Verlagsautorin oder Selfpublisherin? Wo siehst Du die Vorteile der beiden Veröffentlichungswege? Und hast du eine Literaturagentur?

Ich habe bewusst den Weg als Selfpublisherin gewählt, weil mir das eine gewisse Freiheit schenkt. Viele Entscheidungen kann ich selbst treffen, vom Cover bis zum Inhalt. Wobei ich schon zugeben muss, dass ich ziemliche Angst vor der eigenen Courage hatte. Bis heute habe ich den Schritt jedoch nie bereut, allerdings werde ich auch meinen zweiten Weg als Verlagsautorin weitergehen. Ein Verlag hat natürlich ebenso viele Vorteile. Dass ich die Möglichkeit habe, beides tun zu dürfen, empfinde ich als großes Privileg.

Und ja, mein historischer Roman „Erben der Schuld“ wird von der Literarischen Agentur Kossack vertreten.

 

Hast Du Tipps für Newcomer, die gern ein Buch veröffentlichen wollen?

Mein erster Tipp ist immer derselbe:  Es gibt einiges, das man beachten sollte. Sehr empfehlenswert ist die Website „Fairlag“ www.aktionsbuendnis-faire-verlage.com

Mein zweiter Tipp ist: Realistisch sein, denn es können nur wenige Autoren wirklich vom Schreiben leben, und drittens: Nicht sofort aufgeben, wenn Verlage/Agenturen absagen. Aufpassen bei Druckkostenzuschussverlagen. Mein erster Weg führte mich damals auch geradewegs zu einem. Natürlich klingt es verlockend, wenn ein Verlag nach zwei Tagen schreibt: „Wir finden Ihr Manuskript super und würden es gerne verlegen“, doch das ist nicht die Realität (oftmals muss man bis zu drei Monate oder länger warten). Ebenso nicht, dass der Autor bezahlt. Das Geld fließt immer vom Verlag zum Autor, nicht umgekehrt.

In meinem Fall habe ich sofort Abstand davon genommen, obwohl ich damals nur wenig Ahnung hatte. Doch als ich hörte, dass es kein Lektorat geben würde, war bereits das für mich ein Grund, nicht darauf einzugehen. Manchmal sind Selbstzweifel gute Berater, denn ich hatte nicht das Gefühl, schon so weit zu sein, um ein Buch veröffentlichen zu können.

Also habe ich danach besagtes Manuskript bei einer seriösen Lektorin zum Prüfen der ersten 50 Seiten eingereicht. Als das MS zurückkam, gab es kaum einen Satz ohne Anmerkung. Ich erinnere mich gut daran, wie ich am Küchentisch saß und mir dachte: „Vergiss es, das schaffst du nie.“

Aber die Lektorin schrieb, dass sie an das Potential der Geschichte glauben würde und gab mir wirklich hilfreiche Tipps. Außerdem klebte ein Post-it auf dem MS: „Kämpfe für dein Baby.“ Das tat ich dann und ein Jahr später erschien mein Debütroman „Erben der Schuld“. Bis heute ziert das Post-it übrigens meinen PC.

 

Jetzt habe ich noch ein paar persönlichere Fragen, damit die Leser Dich als Person noch ein bisschen näher kennenlernen können:

Wie, wo und wann schreibst Du am liebsten?

Mit einer Tasse Kaffee neben mir, an meinem Schreibtisch im Wintergarten und nachts (am liebsten bei Regen oder fernem Donnergrollen. Sehr fernem Donnergrollen … ?)

 

Was ist Dir beim Schreiben als Arbeitsumgebung wichtig?

Totale Ruhe, und dass meine Kaffeemaschine einwandfrei funktioniert … ?

 

Welches Genre liest Du selber am liebsten? Hast Du Autorenvorbilder oder Autoren, die Du besonders gern liest?

Ich lese am liebsten Thriller. Autorenvorbilder habe ich keine und Lieblingsautoren ebenfalls nicht, weil es so viele tolle Autorinnen und Autoren gibt.

 

Wenn Du an einem neuen Projekt arbeitest: liest Du dann privat eher in einem anderen Genre?

Wenn ich schreibe, lese ich überhaupt kein Buch. Erst wenn ich schreibfrei habe, was in den letzten Jahren selten vorkam. Aber wenn, dann lese ich mit wenigen Ausnahmen in einem anderen Genre.

 

Und: Was sind Deine Freizeitaktivitäten, wenn Du nicht schreibst?

Ich fotografiere sehr gerne, manchmal male ich und ich liebe meinen winzigen Garten. Nach einem Buch räume ich auch gerne unser Zuhause um (mein Mann sagt immer, dass er froh ist, dass wenigstens die Türen am selben Platz bleiben), ich streife sehr gerne durch die Natur, mag Radfahren und Langlauf. Allerdings bin ich absolut keine Sportskanone ?.

 

Ich bedanke mich herzlich für dieses Interview und wünsche Dir alles Gute. Und in dieser sehr seltsamen Zeit vor allem auch: Bleib gesund!

Das wünsche ich dir ebenso von Herzen und vielen lieben Dank, dass ich in „Missis Leseecke“ Platz nehmen und so nett mit dir plaudern durfte. 

 

Morgen erscheint hier die Rezension zu „Ein fast perfekter Winter in St. Agnes“!

 

Hier geht’s zu Bettina Reiters Seite auf Amazon!

 

 

0 Kommentare

Hinterlasse einen Kommentar

An der Diskussion beteiligen?
Hinterlasse uns deinen Kommentar!

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert