Liebe Anke,

ganz lieben Dank zunächst, dass Du Dir die Zeit nimmst, meine Fragen zu beantworten.

Aus Deiner Vita geht hervor, dass Du seit mehr als zwanzig Jahren in der Unternehmenskommunikation arbeitest. Studiert hast Du jedoch Germanistik, Politikwissenschaft und Pädagogik. Auf den ersten Blick nicht unbedingt Studienfächer, die mit Deinem Job in Verbindung gebracht werden. Wie bist Du vom Studium und Volontariat in diesen Bereich gekommen?
Ich finde, das hat sich alles prima ergänzt. Aus dem Studium und der Zeit bei einer Tageszeitung habe ich eine Menge mitgenommen, das ich immer noch gebrauchen kann: vor allem, wie man Informationen zusammenträgt, ordnet und am Ende etwas Lesbares daraus macht. Lebensnahe Geschichten haben mir immer viel Spaß gemacht. Und das, was beim Romanschreiben „Show, don’t tell“ heißt, lernt man ziemlich gut beim Schreiben von Zeitungsreportagen. In meinem Hauptjob setze ich das auch um. Da geht es oft um Texte zu technischen oder wissenschaftlichen Themen, die für Leser von Fachzeitschriften leicht verständlich sein sollen.

Durch Deinen Hauptjob bist Du ja nicht Vollzeit-Autorin. Würdest Du gern mehr schreiben und den Hauptjob an den Nagel hängen, oder soll die Autorentätigkeit weiterhin nebenberuflich bleiben?
Mein restliches Berufsleben komplett am heimischen Schreibtisch verbringen? Nein, danke. Der regelmäßige Kontakt zu den Kolleginnen und Kollegen würde mir fehlen. Das merke ich jetzt schon im Corona-bedingten Home Office. Außerdem kommen mir in meinem normalen Job auch regelmäßig Ideen, die ich für meine Bücher verwenden kann. Und von bisher drei veröffentlichten Romanen im Selfpublishing kann kaum jemand leben – ich jedenfalls nicht. Darum werde ich wohl Autorin im Nebenberuf bleiben, wie so viele Schriftsteller, die andere Einkommensquellen haben.

Gibt es einen zweiten Traumberuf, den Du gern gelernt / ausgeübt hättest? Und was hat Dich dazu bewogen, den aktuellen Weg einzuschlagen?
Ganz früher habe ich mit einem Studium der Archäologie geliebäugelt, weil ich schon als Zwölfjährige alles verschlungen habe, was mit den Pharaonen im alten Ägypten zu tun hatte. Aber das erschien mir dann doch reichlich realitätsfern. Das Schreiben von Romanen auch, deshalb habe ich meine ersten Geschichten heimlich aufgeschrieben und versteckt. Ich war stolz wie Oskar, als in der Lokalzeitung meiner Heimatstadt die ersten Artikel erschienen, über denen mein Name stand … Das war 1985.


Deine Bücher sind Gegenwartsromane, die immer mit einer großen Portion Humor daherkommen, die aber nie oberflächig sind, sondern sehr in die Tiefe gehen. Du sprichst auch kritische und problematische Themen an, jedoch nie mit einem erhobenen Zeigefinger. Verarbeitest Du viel Autobiographisches, oder ist tatsächlich alles Fiktion?
Ich schaue mich gern in der nächsten Umgebung um. Auf meinen Debüt-Roman bin ich gekommen, weil ich mich – wie eine meiner Hauptfiguren – am Tag vor Heiligabend gründlich verfahren und dabei eine Frau mit einem kleinen  Jungen gesehen habe. Vermutlich Mutter und Sohn, die aus einem Haus stürmten. Du kennst „Festtagsgäste“ ja und weißt, was daraus geworden ist. „Taktgefühle“ knüpft daran an und ist in einer Zeit entstanden, in der meine Tochter häufig Klavier gespielt hat. Und „Sonnenplätze“ ist ein Mutter-Tochter-Roman. Da ist so manche Szene hineingerutscht, in der ich mich wiedererkenne. Aber das Allermeiste ist Fiktion. Ich habe wirklich nie in einer niederländischen Ausnüchterungszelle übernachtet oder eine amerikanische Ferienanlage geleitet, und Motorrad fahren kann ich auch nicht.

Deine ersten beiden Bücher spielen in Deutschland, in Ostwestfalen, wo Du lebst. „Sonnenplätze“ dagegen spielt in Florida. Was hat Dich bewogen, Deine Geschichte mal in einer völlig anderen Gegend spielen zu lassen?
Der Ostwestfale bleibt ja nicht ein Leben lang auf seiner Scholle. In Florida und auch in einigen anderen Gegenden der USA war ich mit meiner Familie oft. Eine erste vage Idee zu diesem Roman entstand während unseres letzten Urlaubs auf Sanibel Island, als wir die starken Regenfälle erlebten und am Strand tatsächlich ein kleiner Alligator herumlief. Wir waren noch nicht lange wieder zu Hause, als der Hurrikan „Irma“ über die Insel hinwegfegte – und seitdem wollte ich daraus etwas machen. Im Roman geht es auch um eine sowjetische Militärmission, die es in Ostwestfalen tatsächlich gab, und auf Sanibel Island genießen bis heute etliche ehemalige CIA-Agenten ihren Ruhestand. So war die Verbindung zu meiner Heimat schnell geknüpft.
Kleiner Spoiler: In meinem nächsten Roman werden die Hauptfiguren genauso wenig in Deutschland bleiben. Es geht dann auf eine Insel in Südeuropa, die auch nicht Jeder kennt.


Gibt es noch ein Genre, was Dich besonders reizt, in dem Du gerne mal etwas schreiben würdest?
Ja, ich habe schon ein erstes Exposé zu einem Krimi niedergeschrieben. Aber dazu muss ich an einigen Stellen vor Ort recherchieren, und das ist während der Corona-Zeit schwierig.

Wie bereitest Du Dich auf ein neues Buchprojekt vor?
Ich habe eine dicke Mappe, in der alle spontanen Einfälle landen, und ein Notizbuch für zwischendurch. Das wird alles durchsucht, sobald es eine erste Idee gibt, Brauchbares auf einen Haufen geschichtet und ein Pitch geschrieben. Dann skizziere ich die Haupt- und die wichtigsten Nebenfiguren, ein Exposé entsteht und auch ein grober Kapitelplan.

Woher nimmst Du die Inspiration für Deine Bücher?
Überallher. Aus der Umgebung, der Zeitung, dem Fernsehen, und gar nicht so selten bringt mich auch ein Lied auf eine Idee – zum Beispiel für den Titel „Sonnenplätze“.

Wie lange benötigst Du für ein Buch?
Länger als ein Jahr, weil ich ja nicht hauptberuflich schreibe und auch vieles andere selbst in die Hand nehme wie den Printbuchsatz und die Pflege meiner Website. Mit „Sonnenplätze“ habe ich im Herbst 2018 begonnen und in diesem Frühjahr veröffentlicht.

Schreibst Du „aus dem Bauch heraus“, oder plottest Du vorher?
Meinen ersten Roman habe ich weitgehend aus dem Bauch heraus geschrieben. Den zweiten habe ich äußerst akribisch geplottet. Den dritten auch – und dann nach etwas mehr als der Hälfte einen Großteil meines schönen Kapitelplans komplett verworfen. Da haben sich die Figuren selbstständig gemacht, und ich hatte plötzlich viel mehr Spaß am Schreiben als zuvor. Beim vorgesehenen Schluss ist es allerdings geblieben.
Konsequenz daraus: Das Exposé und den Kapitelplan zum vierten Roman habe ich erst fertiggestellt, als ich schon drei Kapitel beisammen hatte. Ich musste mich ein bisschen dazu zwingen und habe mir von einem Tag zum anderen vorgenommen „morgen fängst du damit aber an“. Nun ist das Ganze für mich eine Rückversicherung, dass ich diesen Roman zu Ende bringen kann. Aber wenn mir unterwegs etwas Besseres einfällt, ist es auch gut. Beruhigend: Mein Lektor weiß, was ich diesmal vorhabe, und von ihm gab’s grünes Licht.

Du hast bisher als Selfpublisherin veröffentlicht. Möchtest Du in dem Bereich bleiben, oder würdest Du lieber als Verlagsautorin schreiben und wieso ist Deine Wahl so?
Einerseits würde ich meine Bücher sehr gern in allen Buchhandlungen sehen. Welcher Autor träumt davon wohl nicht? Eine professionelle Zusammenarbeit mit einem Verlag würde meinen Büchern garantiert mehr Aufmerksamkeit einbringen.
Andererseits führt der Weg zu einem Verlag in aller Regel über Literaturagenturen. Mit meinem ersten Roman habe ich viel Zeit für die Agentursuche verwendet, zu viel, wie ich heute weiß – denn die Erfahrungen waren nicht gut. Und die Coronakrise dürfte eher dazu führen, dass Agenturen lieber auf bekannte Namen setzen als auf neue Autoren, deren Aufbau immer auch ein Risiko bedeutet. Außerdem schreibe ich bislang nicht innerhalb der Genres, die für Agenturen spannend sind, weil sie den kommerziellen Erfolg versprechen: Humor, Liebe, Erotik oder Krimi.
Trotzdem würde ich mich freuen, wenn eine Agentur oder ein Verlag an einer langfristigen Zusammenarbeit mit mir interessiert wäre. Die Themen, über die ich schreibe, möchte ich aber weiter selbst auswählen, und das ist für mich ein wesentlicher Vorteil des Selfpublishing. Ganz falsch liege ich mit meinen Ideen wohl nicht. Sonst wäre „Sonnenplätze“ kaum auf Platz 30 der e-book-Bestsellerliste von Thalia gelandet, zwischen vielen bekannten Verlagstiteln.  

Hast Du Tipps für junge Autorinnen und Autoren, die gern ein Buch veröffentlichen würden?
Lasst Euch nicht bange machen und habt viel Geduld. Bange machen wollen einen nämlich vor allem Menschen, die damit bares Geld verdienen. Zum Beispiel Agenturen, die eine Vertretung in Aussicht stellen, wenn man zuvor bei der hauseigenen Schreibschule einen Kurs absolviert. Darauf habe ich lieber verzichtet. Und nicht jeder Tipp im Selfpublishing passt für alle. Ich habe mir diesmal Kindle Unlimited gespart und „Sonnenplätze“ auch nie für 99 Cent verkauft. Trotzdem habe ich von diesem Roman in drei Monaten mehr Exemplare verkauft als von den anderen beiden. Dafür ein dickes „Dankeschön“ an das Team von tolino media, denn ohne die tolle Zusammenarbeit hätte das nicht funktioniert.
Geduld braucht man mit sich selbst, wenn man mal wieder glaubt, überhaupt nicht schreiben zu können, nur weil man irgendwo stecken geblieben ist. Romanfiguren entwickeln sich mit der Zeit, die müssen nicht von Anfang an „rund“ sein.
Und von den bombastischen Zahlen, die andere Autoren einem manchmal ungefragt um die Ohren hauen, muss man sich auch nicht allzu sehr beeindrucken lassen. Besser nachfragen, wie viele Bücher vergünstigt und wie viele zum vollen Preis verkauft worden sind. Quantität allein sagt nicht unbedingt etwas über den Erfolg aus.
 

Jetzt habe ich noch ein paar persönlichere Fragen, damit die Leser Dich als Person noch ein bisschen näher kennenlernen können:
Wie, wo und wann schreibst Du am liebsten?
Ganz schnöde am Schreibtisch, vor einem großen Bildschirm, auf dem ich alles gut lesen kann. Bei schönem Sommerwetter und nach Sonnenuntergang setze ich mich mit dem Laptop auch manchmal auf die Terrasse, vor allem nach einem Tag im Home Office. Wenn ich mir die Zeit selbst einteilen kann, schreibe ich morgens, weil der Kopf dann noch frei ist.  

Was ist Dir beim Schreiben als Arbeitsumgebung wichtig?
Meine Ruhe, etwas zu Trinken und Kaugummi, um das Hirn auf Touren zu bringen.

Welches Genre liest Du selber am liebsten? Hast Du Autorenvorbilder oder Autoren, die Du besonders gern liest?
Im Moment lese ich gern ähnliche Romane, wie ich sie selbst schreibe: von deutschen Autorinnen wie Dörte Hansen, Sybil Volks oder Dora Heldt, in denen es um Familienbande und Freundschaften geht. Ich mag authentische Figuren lieber als superstarke Frauen und ihre Traummänner. Gerade finde ich auch zu Büchern zurück, von denen ich nur wenige Seiten täglich lese, die dafür aber länger im Gedächtnis bleiben – etwa von Benedict Wells.  

Und: Was sind Deine Freizeitaktivitäten, wenn Du nicht schreibst?
Musik hören und dabei kochen (oder umgekehrt), lesen, fotografieren, neuerdings auch wieder häufiger Radfahren.

Das waren jetzt eine Menge Fragen. Aber vielleicht habe ich ja eine oder mehrere für Dich wichtige Fragen gar nicht gestellt? Gibt es etwas, das Du den Lesern gern noch mitgeben oder erzählen möchtest?
Ohne Euch Leserinnen und Leser gäbe es gar keinen Grund, Bücher zu schreiben. Also: Danke, dass Ihr unsere Gedanken aufs Sofa, in den Urlaub und anderswohin mitnehmt. Wisst Ihr eigentlich, was das schönste Kompliment für ein neues Buch ist? Wenn vermehrt auch die etwas älteren gekauft werden. Das kann ja nur heißen, dass der jüngste Roman gut angekommen ist und spornt enorm zum Weitermachten an!

Ich bedanke mich herzlich für dieses Interview und wünsche Dir alles Gute. Und in dieser sehr seltsamen Zeit vor allem auch: Bleib gesund!

Du auch, liebe Claudia. Und hoffentlich sehen wir uns bald wieder. Natürlich auf einer Buchmesse und nach Möglichkeit schon im nächsten Jahr!

Hier geht’s zum aktuellen Buch „Sonnenplätze“